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Digitale Medien in der frühen Kindheit

Die Tatsache, dass bereits Babys und Kleinkinder mehr und mehr Zeit vor den unterschiedlichsten Bildschirmen verbringen, gibt vielen Fachpersonen, die sich mit Gesundheit in der frühen Kindheit befassen, zu denken. Anlass zur Sorge bereitet zudem die intensive Beschäftigung vieler Eltern mit Medien, beispielsweise mit Smartphone oder Tablet – diese könnte sich negativ auf die Eltern-Kind-Kommunikation und die kindliche Entwicklung auswirken.


Ein Mädchen und sein Tablet
Foto: ra2 studio / Adobe Stock

Bildschirmmedien prägen zunehmend den Alltag von Familien. Die Sorge um den Einfluss auf die körperliche, sozio-emotionale und kognitive Entwicklung von Kindern von 0 bis 3 Jahren nimmt unter Expert:innen zu. Vor diesem Hintergrund hat die Gesellschaft für Seelische Gesundheit in der Frühen Kindheit GAIMH beschlossen, sich intensiver mit dieser Entwicklung zu befassen.


Auf Wunsch vieler Mitglieder wurde im Jahr 2020 eine Projektgruppe gegründet mit dem Ziel, ein Grundlagenpapier der GAIMH rund um diese Thematik zu erarbeiten. Die 13-köpfige Fachgruppe mit Mitgliedern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz tauscht sich regelmässig aus und hat im März 2022 das Positionspapier «Digitale Medien und frühe Kindheit – Forschungsstand, Wirkungen und Empfehlungen» herausgegeben.


Der aktuelle Forschungsstand und Forschungslücken aus Sicht der GAIMH

Vor dem Hintergrund der Entwicklungsbedürfnisse und Entwicklungsaufgaben von Kindern werden in einem ersten Teil Forschungsstand und Forschungslücken aus der GAIMH-Perspektive zusammengetragen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass digitale Medien im Alltag präsent sind und sowohl Chancen als auch Risiken für Familien darstellen. Für Eltern können digitale Medien nicht nur hilfreiche Werkzeuge im beruflichen Kontext darstellen, sondern dosiert und gezielt eingesetzt auch eine Ressource bei der Bewältigung des Familienalltags sein. Auch bei Fragen rund um Erziehungsfragen können entsprechende digitale Werkzeuge hilfreich sein.


Hier zeigen sich aber auch zwei Risikobereiche: Zum einen wird in diesem Zusammenhang von der Technoference der Eltern, also von deren Abgelenktheit durch eine technologiebedingte Unterbrechung, die sich z. B. negativ auf die Eltern-Kind-Beziehung auswirken kann, gesprochen. Zweitens dient der Einsatz digitaler Medien im Erziehungskontext für eine Reihe verschiedener Zwecke, z. B. als digitaler Babysitter oder als Mittel zur Bestrafung oder Belohnung. Das mag kurzfristig entlastend wirken, trägt aber gemäss der aktuellen Studienlage langfristig nicht zur emotionalen Reifung und psychosozialen Entwicklung bei.


Die aktuellen Studienergebnisse zeigen solche Einflüsse der elterlichen Mediennutzung auf und belegen, wie sich das Verhalten der Kinder entsprechend verändert. Allerdings sind die Ergebnisse unterschiedlich und müssen aus verschiedenen Gründen mit Vorsicht genossen werden. Zur Nutzung von Bildschirmmedien durch Kinder von 0 bis 3 Jahren liegen noch kaum verlässliche Daten aus Längsschnittstudien vor, da es sich um ein vergleichsweise neues Phänomen handelt.


Zudem ist der in den diversen Studien verwendete Begriff der digitalen Medien sehr breit und heterogen. Das Positionspapier hält fest, dass die aktuelle Lücke in der Forschung über die die Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern von der Schwangerschaft bis zum dritten Lebensjahr durch qualitative hochwertige Studien geschlossen werden sollten.


Forderungen aus dem Positionspapier

In einem zweiten Teil werden die Empfehlungen und Forderungen genannt, welche sich im Hinblick auf das zusammengetragene Wissen aus Sicht der GAIMH abgeben lassen:


  • Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten rund um das Thema „Digitale Medien und frühe Kindheit“ als verpflichtender Bestandteil der Aus-, Weiter- und Fortbildung der Berufsgruppen, die in Begleitung, Beratung und Therapie mit der frühen Kindheit befasst sind.

  • Erweiterung der Informations- und Beratungskapazitäten und Anerkennung von qualifizierter Medienanamnese und Medienberatung als Primärprävention durch die zuständigen Kostenträger.

  • Integration der Medienberatung in die Beratungsangebote von werdenden Eltern und Früherkennungsuntersuchungen.

  • Heraufsetzen der Alterskennzeichnung „ohne Altersbeschränkung“ auf „ab 3 Jahren“, wie es bei der PEGI-Kennzeichnung bereits heute umgesetzt ist.

  • Kontrolle der Werbung für Bildschirmmedienprodukte für Kinder von 0 bis 3 Jahren.

  • Finanzierung transdisziplinärer Forschung zu Auswirkungen digitaler Mediennutzung durch Kinder und Bezugspersonen sowie Finanzierung von Interventionsforschung zur Wirksamkeit verschiedener präventiver Ansätze.


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