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Warum Chaos manchmal nützlich ist: Zweisprachige Kinder kommunizieren anders als einsprachige

Mehrsprachigkeit ändert viel im Leben von Kindern, zum Beispiel die Art und Weise wie sie kommunizieren. Die Unterschiede zwischen ein- und mehrsprachigen Kindern sind wahrscheinlich in ihren alltäglichen Erfahrungen begründet: Mehrsprachigkeit geht oft mit herausfordernden Interaktionen einher. Dies stärkt das kommunikative Verhalten der multilingualen Kinder.


Foto: Katerina Monakhova | istockphoto.com

Ein Beitrag von Stephanie Wermelinger und Moritz M. Daum, Universität Zürich, Psychologisches Institut und Jacobs Center for Productive Youth Development


Die Schweiz verkörpert Mehrsprachigkeit wie kein anderes Land: Fast die Hälfte der Schweizer Kinder erlebt in ihrem Alltag mehrere Sprachen. Diese Mehrsprachigkeit beeinflusst ihre Entwicklung in vielerlei Hinsicht.

 

Mehrsprachige Kinder kommunizieren anders

Mehrsprachige Kinder sind sensibler für die Gesten ihrer Interaktionspartner*innen , nehmen eher die Perspektive anderer ein, versuchen häufiger, Missverständnisse zu beheben (Wermelinger et al., 2017), verwenden Gesten informativer (Wermelinger et al., 2020) und reagieren sensibler auf die kommunikativen Bedürfnisse ihrer Gegenüber (Gampe et al., 2018).

 

Wie lassen sich diese Unterschiede erklären?

Diese Ergebnisse erklären wir in einem neuen theoretischen Modell: Die COMmunicative Experience Perspective (COME; Wermelinger et al., 2024) nimmt an, dass sich Kinder in ihren kommunikativen Erfahrungen unterscheiden und dies ihr kommunikatives Verhalten prägt. Einsprachige Kinder wachsen in einer kommunikativen Umwelt mit einer Sprache und einer Kultur auf. Interaktionen sind daher oft effektiv – die Gesprächspartner verstehen einander.

 

Mehrsprachige Kinder erleben dagegen öfters auch nicht-effektive Interaktionen: Die Ver-wendung von verschiedenen Sprachen und kulturell bedingten Kommunikationsstilen kann zu Missverständnissen und Gesprächsunter- oder -abbrüchen führen.

 

Es ist für mehrsprachige Kinder also hilfreich, Mittel und Wege zu finden, sich dennoch verständlich zu machen: Sie werden sensibler für ihre Gesprächspartner*innen, nutzen mehr Gesten und erkennen eher, wenn es mal nicht rund läuft. Das führt dazu, dass mehrsprachigen Kindern mehr kommunikative Mittel zur Verfügung stehen, die sie noch dazu flexibler einsetzen können.

 

Mehrsprachigkeit macht aus Kindern also versierte Kommunikator*innen und Vermittler*innen zwischen kulturellen Welten.

 

Referenzen

  • Gampe, A., Wermelinger, S., & Daum, M. M. (2018). Bilingual children adapt to the needs of their communication partners, monolinguals do not. Child Development, 90(1), 1–10. doi.org/10.1111/cdev.13190

  • Wermelinger, S., Daum, M. M., & Gampe, A. (2024). From everyday exposure to pragmatic mastery: The COME perspective. International Review of Pragmatics, 16(1), 149–161. doi.org/10.1163/18773109-01601006

  • Wermelinger, S., Gampe, A., & Daum, M. M. (2017). Bilingual toddlers have advanced abilities to repair communication failure. Journal of Experimental Child Psychology, 155. doi.org/10.1016/j.jecp.2016.11.005

  • Wermelinger, S., Gampe, A., Helbling, N., & Daum, M. M. (2020). Do you understand what I want to tell you? Early sensitivity in bilinguals’ iconic gesture perception and production. Developmental Science, 23(e12943), 1–14. doi.org/10.1111/desc.12943

 

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