Im Rahmen der Jahrestagung der Swiss Society for Early Childhood Research (SSECR) am 21. und 22. Januar 2025 in Basel gestaltete Alliance Enfance eine halbtägige Session zum Wissenstransfer zwischen Forschung, Praxis und Politik. Tagung und Session widmeten sich dem Thema des Aufwachsens im digitalen Zeitalter. Wir schauen zurück und liefern Impressionen.

Das Annual Meeting der SSECR nahm sich dieses Jahr dem Thema "Growing up in the digital age" an. Alliance Enfance gestaltete wieder eine Session zum Wissenstransfer zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik mit demselben Fokus
Keynote Speech und Inputreferate: Aufwachsen im digitalen Zeitalter
From Growing the Digital World … to Growing Up in the Digital World
Keynote von Assistenzprofessorin Dr. Katherine Tombeau Cost, Offord Centre for Child Studies, McMaster University, Hamilton, Ontario, Canada
Dr. Katherine T. Cost führte in ihrem Referat in den historischen Kontext der Entwicklung digitaler Medien und Technologien ein. Dabei legte sie den Fokus auf die Medienumgebung, in der Kinder heutzutage aufwachsen. Digitale Technologien bringen sowohl Chancen als auch Risiken mit sich. Die potenziellen Schäden, die sie anrichten können, haben zu vielfältigen Empfehlungen und Richtlinien von Gesundheitsorganisationen weltweit geführt. Dr. Cost diskutierte in ihrem Referat solche Bestrebungen, negative Folgen von digitalen Medien zu mindern, und sprach Herausforderungen der Forschung rund um die Mediennutzung an. Sie präsentierte auch Erkenntnisse ihrer eigenen Forschung zu gesundheitlichen Auswirkungen des Medienkonsums von Kindern und diskutierte ihre Relevanz für die Praxis.
Was wissen wir über den Umgang von Vorschulkindern mit digitalen Medien? Erste Resultate aus der SWIPE-Studie
Inputreferat von Prof. Dr. Nevena Dimitrova, Haute école de travail social et de la santé Lausanne (HETSL), und Prof. Dr. Fabio Sticca, Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik (HfH), Zürich
Digitale Medien sind allgegenwärtig und spielen eine grosse Rolle im Leben von Erwachsenen und Kindern. Die Bildschirmnutzung von Kindern wird aktuell heftig diskutiert – insbesondere aufgrund der Sorgen über mögliche Risiken. Doch bevor man über diese Risiken diskutieren kann, muss man wissen, wie Säuglinge und Kleinkinder digitale Medien nutzen. Die SWIPE-Studie (SWIss study on Preschool screen Exposure) ist ein schweizweites Forschungsprojekt, das untersucht, wie Kleinkinder und ihre Eltern digitale Medien nutzen. An der Studie nahmen über 3'500 Eltern mit Kindern ab Geburt bis 5 Jahre aus allen Regionen der Schweiz teil.
In ihrer Präsentation stellten Prof. Dr. Nevena Dimitrova (HETSL) und Prof. Dr. Fabio Sticca (HfH) die ersten landesweiten Ergebnisse zur Nutzung digitaler Medien (Bildschirmzeit, Inhalt und Kontext der Bildschirmnutzung etc.) durch Schweizer Kinder im Vorschulalter vor. Die Forschenden präsentieren auch Erkenntnisse darüber, wie wichtige demografische Faktoren die Bildschirmnutzung von jungen Kindern beeinflussen. Die Studienergebnisse sind von grosser Bedeutung, um Strategien zur Prävention und Verminderung möglicher Risiken zu entwickeln und um eine gesunde Nutzung digitaler Medien bei Vorschulkindern und ihren Familien zu fördern.
Aus Gründen der Vertraulichkeit können wir diese Präsentation nicht zur Verfügung stellen.
Erste Ergebnisse werden bald auf der Website der SWIPE-Studie veröffentlicht.
Kinderrechte im digitalen Raum und wie wir mit Kindern zu besseren Rahmenbedingungen gelangen
Inputreferat von Prof. Dr. Selina Ingold, OST Ostschweizer Fachhochschule, IDEE Institut für Innovation, Design und Engineering, und Dipl. Päd. Mandy Falkenreck, OST Ostschweizer Fachhochschule, IFSAR Institut für Soziale Arbeit und Räume
Viele Kinder haben schon mal in der Krippe, im Kindergarten oder in der Schule von den Kinderrechten gehört. Aber nur wenige wissen, was deren Inhalte sind. Um zu ermöglichen, dass Kinder sich diese aneignen können, wurde in einem partizipativ gestalteten Prozess mit Kindern und Fachpersonen aus der ganzen Schweiz eine digitale Web-Anwendung entwickelt: die Kinderrechte-App «Kidimo» (s. Medienmitteilung zur aktualisierten und erweiterten Version der App, 05.02.2025).
In ihrer Präsentation gingen Prof. Dr. Selina Ingold und Mandy Falkenreck darauf ein, wie sich Medienaneignung aus der Sicht von Kindern darstellt und was aus ihrer Sicht zentral ist bei der Nutzung digitaler Medien. Sie gaben auch einen Einblick, wie sich solche digitalen Anwendungen in der Arbeit mit Kindern sinnvoll einsetzen lassen. Schliesslich ging es darum, wie – unter Beteiligung von Kindern - die Rahmenbedingungen für den Umgang mit digitalen Medien proaktiv gestaltet werden können.
Empfehlungen zum Umgang mit digitalen Medien in der frühen Kindheit und förderliche Rahmenbedingungen
Im zweiten Teil der Session diskutierten die rund 45 Teilnehmenden in drei Gruppen über mögliche Empfehlungen und förderliche Rahmenbedingungen für ein gesundes Aufwachsen im digitalen Zeitalter. Zwei Gruppen stellten sich die Frage, ob und wenn ja, welche Empfehlungen (für Fachpersonen und Eltern) zum Umgang mit digitalen Medien in der frühen Kindheit auf Basis der wissenschaftlichen Evidenz angezeigt wären.
Die dritte Gruppe ging der Herausforderung auf den Grund, wie Rahmenbedingungen so gestaltet werden können, dass Kinder sich im digitalen Zeitalter gut entwickeln können. Es stellte sich die Frage, wo und wie man in der politischen Arena und auch ausserhalb (z.B. in der Wirtschaft oder in der Fachwelt) die Rahmenbedingungen (seien es Gesetze, ökonomische Anreize oder Massnahmen der Information und Sensibilisierung) so verändern könnte, dass Kinder gleichzeitig geschützt werden und sich optimal entfalten können.
Abschluss und Ausblick
Zum Abschluss der Session zum Wissenstransfer schlug Moderator Dominik Büchel von Alliance Enfance mit Nationalrätin Patricia von Falkenstein (LDP/BS) den Bogen von Wissenschaft und Praxis zur Politik. Klar ist, dass alle Felder an einem Strick ziehen müssen und dass es einen breiten, sektor- und ebenenübergreifenden Ansatz braucht. Das heisst, die Herausforderungen der digitalen Transformation müssen gesamtgesellschaftlich angegangen werden - z.B. mit einer förderlichen Familienpolitik in den Kantonen und beim Bund, aber auch Eltern als gute Vorbilder im Umgang mit digitalen Medien und Fachpersonen mit klarer, evidenzbasierter Haltung sowie einer Industrie, die Verantwortung übernimmt - insbesondere für den Kindesschutz.
Alliance Enfance und die SSECR nehmen die Ideen, Anregungen und offenen Fragen mit in ihre weiteren Arbeiten rund um "Digitale Medien in der frühen Kindheit". Geplant ist unter anderem eine weitere Ausgabe der "News aus der Wissenschaft" mit den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen in diesem Feld. Bereits 2023 befasste sich eine Ausgabe mit diesem Thema.